Imago - ein Weg zu uns selbst?
Grundgedanke der Imago-Therapie ist, dass unverarbeitete Konflikte und Erlebnisse aus der Kindheit die Beziehungswelt Erwachsener belasten können. "Imago" ist dabei die tiefenpsychologische Bezeichnung für ein idealisiertes Bild von Personen (besonders von Vater und Mutter, aber auch Geschwistern), das vor allem in der frühen Kindheit unbewusst entsteht und später die Entscheidungen und Handlungen des Erwachsenen beeinflussen kann. Imago (lat. Bild, Plural Imagines) ist ein Begriff aus der Analytischen Psychologie und wurde erstmals von deren Begründer Carl Gustav Jung verwendet und steht ganz allgemein für ein im Unterbewusstsein existierendes (Ideal)bild einer anderen Person der sozialen Umwelt. Eltern-Imagines können auch als Vorläufer für das von Sigmund Freud so genannte "Über-Ich" angesehen werden. Auch der Titel der ersten psychoanalytischen Zeitschrift lautete "Imago"

Eine Imago ist also im Wesentlichen ein zusammengesetztes Ebenbild von Personen, die einen Menschen in der Kindheit am meisten beeinflusst haben. Anpassungen an Stress in der Kindheit bilden Abwehr-Verhaltensmuster, die beim erwachsenen Menschen als Persönlichkeitsstruktur fungieren. Liebe ist nach Ansicht von Robert. J. Sternberg nichts anderes als ein individuelles Drehbuch, das Menschen schon kurz nach der Geburt zu schreiben beginnen und im späteren Leben gilt es, einen Partner mit kompatibler Beziehungsgeschichte zu finden.

Harville Hendrix und Helen Hunt gehen davon aus, dass Menschen für ihre Beziehung oder Ehe unbewusst jenen Menschen wählen, der positive und negative Eigenschaften ähnlich denen der Eltern besitzt. Diese Menschen sind paradoxerweise oft mit genau jenen "negativen" Merkmalen ausgezeichnet, die man an seiner Imago so verletztend empfunden hat. Dieser Mensch hat wohl gerade durch diese Ebenbildfunktion das Potenzial zu helfen und in der Kindheit erlittene Verletzungen zu heilen.

Die Imago-Beziehungstherapie geht davon aus, dass die Beziehung selber schon eine Art Therapie ist, denn unerlöster und unbewusster Schmerz aus der Kindheit - Verlassen werden, Ablehnung, Unterdrückung, Beschämung, Hilflosigkeit usw. - wiederholen sich in der Beziehung und sind später auch die Ursache für Konflikte zwischen den Partnern. Menschen heiraten oder leben mit ihrem Imago-Ebenbild wohl auch deshalb zusammen, um Unerledigtes aus der Kindheit zu erledigen. Da Menschen von ihren wichtigsten Bezugspersonen in der Kindheit auch verletzt wurden, hoffen sie in der Partnerschaft auf Heilung durch den jeweiligen Partner - gewissermaßen Heilung durch den Stellvertreter mit denselben Eigenschaften.

Romantische Liebe ist der Beginn von fester Partnerschaft und somit der von der Natur vorgesehene Auswahlprozess, um einen zu unserer Imago passenden Menschen zu finden, mit dem Wachstum und Heilung möglich sind. Bestimmende Bestandteile der "Imago" mit den Wurzeln in den Kindheitserfahrungen bringen Menschen offensichtlich dazu, sich in jemand zu verlieben, der vor allem viele für essentielle positive wie negative Eigenschaften mit diesen Bezugspersonen aus der frühen Kindheit gemeinsam hat. Treffen wir auf einen solchen Partner, so werden die alten Gefühle von Zuneigung und Abhängigkeit, vor allem aber auch die alten Sehnsüchte und unerfüllten Bedürfnisse wieder aktiviert - zunächst in der Hoffnung, diesmal zu einer befriedigenden Lösung dieser unerledigten Themen zu gelangen, daher das oft seltsam unerklärliche Gefühl der Vertrautheit und Verliebtheit. Solange die Idealisierung anhält und auch nicht allzuoft enttäuscht wird, da noch beide bestrebt sind, den Partner für sich zu gewinnen und ihm zu gefallen, scheint sich diese Erwartung auch zu erfüllen: Endlich gelingt es uns, von jemand, der den Eltern gleicht, doch noch das zu erhalten, was wir von ihnen erhofften aber nicht bekamen.

Dadurch erklärt sich auch, dass viele Menschen mit wechselnden Partnern immer wieder die selben Beziehungs- und Abhängigkeitsmuster eingehen, obwohl sie doch offensichtlich wiederholt schlechte Erfahrungen gemacht haben. Oft wählen die Menschen jene Partner, die ihnen nicht gut tun oder sie gar verletzen, weil diese Partner unbewusst ein bislang ungelöstes Lebens- und Liebesthema repräsentieren, denn wer so sein Unglück sucht, trägt häufig tief in seinem Innern immer noch die Überzeugung, dass er nicht liebenswert ist, wie einst bei der Verletzung duch die Kindheits-Imago. Wer auf einen Partner trifft, der einen mit seiner Liebe geradezu überschüttet und ihm z.B. die ersehnte Anerkennung gibt, fühlt sich damit meist gar nicht gemeint. Statt dessen wird wieder ein Partner gewählt, der sich verweigert und erneut tief verletzt. Es wird also wieder ein Psychomuster gewählt, das bestens vertraut ist, denn die Partnerwahl bietet die wunderbare Möglichkeit, Psychohygiene zu betreiben und damit die eigenen schlechten, ungeliebten elegant Seiten loszuwerden. Wir lassen unsere negative Seite vom Partner leben und sind daneben die reinsten Gutmenschen, denn dadurch hat das gewählte Unglück den Sinn, sich selbst von allen negativen, peinlichen, schamhaften und schuldbeladenen Seiten des Ich reinzuwaschen, indem der gewählte Partner sie für uns auslebt. Diese Selbststabilisierung wird in der Psychologie meist als interpersonelle Abwehr bezeichnet.

Zitat:
Anfangs lieben Kinder ihre Eltern; wenn sie älter werden, halten sie Gericht über sie; manchmal verzeihen sie ihnen.
(Oscar Wilde)

Auch zahlreiche Studien belegen auch, dass man sich in der Regel zu jenen Menschen hingezogen fühlt, mit denen man eine gewisse Ähnlichkeit in Bezug auf Herkunft, Bildungshintergrund und Wertvorstellungen hat, was aber nur für den Zeitpunkt des Kennenlernens von Bedeutung ist. Die spätere Entwicklung erfahren die Partner hingegen erst durch deren Unterschiedlichkeit. Psychologen vermuten mit gutem Grund, dass man sich nach einer Trennung in der Regel jenen neuen Partner sucht, der sich vom vorhergehenden deutlich unterscheidet, der die eigene Entwicklung möglicherweise voranbringen kann, der die ungelösten Fragen der Vergangenheit vielleicht lösen kann. Beziehungen werden daher von Lebens- und Liebesthemen bestimmt, die den Partnern oft selbst gar nicht bewusst sind. Viele Partnerschaften werden auch nur auf Grund einer solchen bestimmten Thematik eingegangen, häufig etwa zur Loslösung vom Elternhaus, wobei sich nach erfolgter Abnabelung mit dem Partner die Frage stellt, ob man diesen dann noch braucht. Wenn daher keine weitere Entwicklung in der Beziehung möglich ist, verliert diese weitgehend ihre Funktion. Beziehungen sind demnach in erster Linie dazu da, Korrekturen im Leben herbeizuführen, sich von alten Mustern zu lösen, neue Erfahrungen zu sammeln, Ängste zu überwinden und Sehnsüchte zu erfüllen. Viele Menschen scheitern daher in ihren Partnerschaften stets auf ähnliche Weise, da sie sich an ihren ungelösten Lebens- oder Liebesthemen vergeblich abarbeiten, denn ein Partner, der z.B. noch nie das Gefühl hatte, richtig geliebt zu werden, wird immer die gleichen Partnerschaftsmuster eingehen, denn er versucht, jemanden zu finden, mit dem er beweisen kann, dass er doch liebenswert ist. Paradoxerweise kann diesen Beweis immer nur ein solcher Partner antreten, der den anderen zunächst einmal nicht liebt.

Die "Einsichten" in die Imago sind daher nicht nur für das Leben in einer Partnerschaft von Bedeutung, sondern ermöglichen auch dem Single, die ein Leben lang mitgetragenen Lebens- und Liebesthemen, die Defizite und unerfüllten Wünsche zu erkennen. Diese werden häufig in Freundschaften und auch oberflächliche Beziehungen projiziert, aus denen aber auf Grund der diesen innewohnenden Unverbindlichkeit keine Chance auf nachhaltige Heilung entstehen kann, vielmehr erwächst aus ihnen eine Art Verstärkungsmechanismus, zumal Freundschaften aus dem Bedürfnis nach Verständnis vor allem mit "Gleichgesinnten" und weniger "Gleichgestimmten" gesucht werden. Besonders Frauenfreundschaften werden oft nach diesem Muster geschlossen, da man ein Thema hat, das verbindet.

Je näher sich die Partner in einer Beziehung kommen, desto spürbarer wird aber auch der Unterschied zwischen dem Menschen, den man sich wünscht, und dem Partner, mit dem man leibhaftig zusammenleb, zwischen dem Menschen, für den man ihn hielt, und dem, als der er sich entpuppt. Beinahe jede Beziehung wechselt daher fast zwangsläufig irgendwann in ein Stadium des Machtkampfes, sobald man sich gegenseitig innerlich verpflichtet. In der Phase des Machtkampfes scheinen die jeweiligen Partner absolut ungeeignet zu sein, um unsere Bedürfnisse zu erfüllen, sondern es wirkt eher so, als könnte diese einander perfekt erneut verletzen. Die romantische Liebe und der Machtkampf finden unbewusst statt. Je mehr nämlich das anfängliche Bemühen nachlässt und dahinter der Wunsch Raum greift, ohne Anpassungsbemühungen so angenommen zu sein, wie man wirklich ist, desto mehr Enttäuschungen geschehen. Diese erneuten Frustrationen der kindlichen unerfüllten Bedürfnisse sind besonders schwer zu ertragen, weil sie genau in die Wunde der alten Verletzungen treffen und auf diese Weise auch die dazugehörigen starken negativen Gefühle und die alten kindlichen Bewältigungsweisen dieser Emotionen wieder wachrufen. Hierin liegt der Grund, dass gerade diejenige Person, in die wir uns verliebt hatten, auch in der Lage ist bzw. es gar nicht vermeiden kann, uns besonders tief zu treffen und zu besonders irrationalen Verhaltensweisen zu provozieren. Im Buch "Liebe macht Angst: Wege aus dem Beziehungsterror" beschreibt übrigens der Psychologe Michael Vincent Miller die Ehe als Karikatur der grössten Träume, weil sie in der Regel nicht jener Brunnen der Liebe ist, den Menschen sich wünschen, sondern sie ist in seiner Perspektive eher eine Wüste, ein barbarischer Wettstreit darüber, wessen Bedürfnisse erfüllt werden. Der Partner wird zum Gegner, alsso zu jemandem, mit dem man die Bedingungen des Zusammenlebens stets aufs Neue aushandeln muss

Der Schlüssel zum Verständnis der Quellen, aus denen sich der Machtkampf von Partnern speist, liegt im Gewahrwerden einer ganzen Palette unerfüllter Kindheitsbedürfnisse. Paare, die ihre Partnerschaft durch die Linse der Kindheit betrachten, entdecken oft direkte Parallelen zwischen der Art und Weise, wie sie sich in ihrer Partnerschaft fühlen, und der Art und Weise, wie sie sich als Kinder gefühlt haben. Paare versuchen mit ihren Partnern Probleme zu bearbeiten, die mit ihren Eltern ungelöst geblieben sind, wobei ungelöste Kindheitsprobleme auch von einer Generation zur anderen weitergereicht werden. Eine besondere Rolle spielen als Bestandteil der Imago eben jene Seiten unserer Persönlichkeit, die wir im Laufe unserer Sozialisation unterdrückt und durch die Maske eines "falschen Selbst" ersetzt haben. Diese unterdrückten Anteile, das ungelebte, "verlorene Selbst" wird als Ergänzung des unbewusst empfundenen Mangels oder Vakuums im Partner gesucht, auf ihn projiziert oder delegiert: Er soll oder darf das leben, was wir selbst nicht verwirklicht haben, und in der Identifikation damit finden wir indirekt einen Weg, diese Anteile unserer selbst nun doch noch lebendig werden zu lassen, wenn auch in Stellvertretung durch den Partner. Auch dieser unbewusste "Partnerschaftsvertrag" trägt zunächst zur Attraktivität des Partners und zu unserem Gefühl des Angezogenseins bei, hat aber das Potential in sich, ins Gegenteil umzuschlagen: Wären die dem Partner delegierten Eigenschaften in unserer inneren Dynamik nicht als negativ, unerlaubt, gefährlich beurteilt, so hätten wir keinen Grund, sie nicht in uns selbst zu integrieren. Die negativen Urteile, die ursprünglich intrapsychisch zur Unterdrückung dieser eigenen Anteile führten, werden in der Paarbeziehung nun interpsychisch zu gegenseitigen Verurteilungen und Schuldzuweisungen, um die "unerlaubten" Anteile nun im Partner zu unterdrücken. Zusätzlich richten sich diese Vorwürfe noch auf einen weiteren Teil, der zur Imago gehört: auf die verleugneten negativen Anteile des falschen Selbst, also die Schattenseiten der von uns angenommenen Persona (häufig den verletzenden Anteilen der Eltern ähnlich). Auch diese spielen bei der Partnerwahl eine Rolle und werden im Partner ausgewählt, auf ihn projiziert oder in ihm provoziert.

Auch das reaktive Schutzverhalten der Ehepartner wird in der Eltern-Kind Beziehung weitergegeben und verewigt so jene verletzenden Selbstschutz-Verhaltensmuster in den Kindern, die diese wieder um in jede Beziehung in- und außerhalb ihrer Familie weitertragen. Aber anstatt Eltern darob Vorwürfe zu machen, sollte man die Eltern selbst als verletzte Kinder sehen, die wiederum ihrerseits unter dem leiden, was ihre Väter und Mütter ihnen in ihrer elterlichen Erziehung schuldig geblieben sind. Stress zwischen Partnern ist daher meist eine Externalisation von innerem Stress und inneren Konflikten.

Eine Imago ist aber nicht nur das innere Bild des entgegengesetzten Geschlechts, es ist auch gleichzeitig eine Beschreibung der eigenen oft verleugneten Ich-Anteile, d.h., man sieht den Partner an und kritisiert an ihm all die Verhaltensweisen, die man an sich selbst nicht wahrnehmen will. Hendrix nennt drei Hauptursachen für den Konfliktstoff, der jeden Machtkampf bestimmt:

* Beim jeweils Anderen die unterdrückten Gefühle zu berühren.
* Sich gegenseitig wieder die alten Kindheitswunden zu öffnen.
* Die eigenen, negativen Eigenschaften auf den anderen zu projizieren.

Diese Interaktionen bleiben ebenfalls meist vollkommen unbewusst. Im Zustand des Verliebtseins sehen wir nur die positiven Eigenschaften unserer Eltern im Partner und die eigenen positiven, aber unterdrückten Eigenschaften. Im Machtkampf sehen Menschen dann nur mehr die negativen und blenden die positiven aus. So wird aus dem Partner, den man einst liebte, ein Zerrbild und glaubt in der Enttäuschung, auf ihn alle erlebten Verletzungen projizieren zu müssen, auch wenn diese gar nicht von ihm verursacht wurden. Plötzlich werden die bisher ausgeblendeten negativen Aspekte der Imago "sichtbar", obwohl sie möglicherweise genau der Grund waren, diesen Partner auszuwählen.

Partnerschaft ist somit ein Entwicklungsprozess, der frühere Entwicklungsprozesse des einzelnen Individuums rekapituliert. Krisen und Probleme zwischen Ehepartnern sind eine Rekapitulation von Hemmungen und Entwicklungsstillständen jedes einzelnen Partners, die erfahrungsgemäß oft sehr ähnlich oder manchmal sogar identisch sind. Anfangs betrachtet man die Ehe als Vehikel, um sich alle Wünsche zu erfüllen, doch zu erwarten, dass die Ehe stets all Bedürfnisse befriedigt, also beiden unendliches Glück, Leidenschaft, Intimität oder Stabilität bringt, nach denen sie sich sehnen, ist vermutlich äußerst naiv.

Zitat:
Das Gefühl braucht Opposition. Wenn man schon aus Liebe heiratet, sollten wenigstens die Eltern dagegen sein.
(Egon Bahr)

Die in der Kindheit erworbenen Abwehr-Verhaltensmuster, die beim erwachsenen Menschen als wesentlicher Teil seiner Persönlichkeitsstruktur fungieren, sind nicht nur rigide, sondern auch komplementär und einander ergänzend, und müssen geändert werden, wenn es zu bleibender Verbesserung in der Paarbeziehung kommen soll. Auf die Bedürfnisse seines Partners einzugehen, erfordert charakterliche Veränderung in einem selbst. Das Eingehen auf das Bedürfnis des Partners bewirkt diese Veränderung. Eine Therapie muss sich auf die Reparatur der entwicklungsmäßigen Hemmungen jedes einzelnen der Partner konzentrieren. Um die entwicklungsbedingte Hemmung aufheben zu können, muss jeder der Partner genau die Zuwendung, also positives, unterstützendes Verhalten bieten, die in dem betreffenden Stadium der Kindheit seines/ihres Partners gefehlt hatte. Paradoxer Weise bewirkt das Schenken der Zuwendung, die dem Partner fehlt, auch eine Veränderung in ihr/ihm selbst, und verschafft Zugang zu ähnlichen oder identischen und bisher meist unbewussten Zuwendungs-Defiziten in ihnen selbst. Die Rolle des Imago-Therapeuten ist es, genau diese Interaktion zwischen den Partnern zu ermöglichen (Hendrix, 1979).

Romantische Liebe ein Leben lang?

Glaubt man einer Metastudie von Avecedo & Aron (2009), muss sich aber auch in einer langjährigen Beziehung nicht zwangsläufig die Romantik verflüchtigen und sich in eine eher partnerschaftliche Partnerbeziehung verwandeln, sondern diese kann ein Leben lang anhalten und zu glücklichen und gesunden Beziehungen führen. Allerdings ist es ein Irrtum, dass romantische Liebe das Gleiche ist wie leidenschaftliche Liebe, denn romantische Liebe hat mit der leidenschaftlichen Liebe zwar die Intensität, das Engagement und die sexuelle Anziehung gemeinsam, nicht aber die obsessive Komponente. Eine obsessive Liebe ist nämlich oft geprägt durch Gefühle wie Unsicherheit und Ängstlichkeit, diese Leidenschaft nicht auf Dauer erhalten zu können. Die Autoren fanden, dass Menschen, die in romantischen Beziehungen leben, zufriedener als Menschen in freundschaftlichen oder leidenschaftlichen Paarbeziehungen sind, gleichgültig, ob diese kurzfristig waren oder bereits längere Zeit andauern. Menschen, die mit ihrer Beziehung zufriedener sind, sind aber in der Regel glücklicher und haben zudem ein höheres Selbstbewusstsein als Menschen, die mit ihrer Beziehung unzufrieden sind. Selbst langjährige Beziehungen können immer noch die Kriterien romantischer Liebe erfüllen, allerdings braucht es dazu Energie und Hingabe der Partner, denn der von manchen als zwangsläufig angesehene Kompromiss zu einem freundschaftlichen Miteinander ist ein unnötiger Kompromiss.
Imago Paartherapie

Das Behandlungsmodell von Hendrix und Hunt soll Paaren helfen, ihre eigenen Wunden zu identifizieren und durch die Schaffung von starken, liebenden Beziehungen zu heilen. In herkömmlichen Paartherapien wird meist an Verhandlungstechniken gearbeitet und die Partner werden ermutigt, Abmachungen oder Verträge auszuhandeln. Allerdings verlängert dieses Verhandeln meist nur die Phase des Machtkampfes und verhindert, die darin verborgenen, ungelösten Kindheitsprobleme zu erkennen oder anzusprechen. Bei den meisten Paaren führt Verhandeln nur zu Resignation und Verzweiflung, denn die Sehnsucht nach bedingungslose Liebe ist dadurch oft weiter entfernt denn je. Um diesen Machtkampf zu beenden, übt man unter Anleitung des Therapeuten, dem Partner zu sagen, was man wirklich will. Die Imago Therapie ist im Wesentlichen eine Form von ritualisierten Dialogen, die die Partner unterstützt, wieder miteinander ins Gespräch, bzw. in Kontakt zu kommen. Dazu gibt es in den Büchern von Hendrix & Hunt zahlreiche praktische Übungen, die man mit und ohne Anleitung des Therapeuten als Paar durchführen kann.

Die Imago-Beziehungstherapie ist wie viele neuere Therapieansätze ein eklektischer Ansatz und verbindet Psychoanalytische Theorie, Tiefenpsychologie, Behaviorismus, Systemische Theorie, Gestalttherapie, Transaktionsanalyse und Kognitive Therapie. Die traditionelle Therapeuten-Klienten Beziehung wird in der Imago-Therapie in die Hände des Paares selbst gelegt.

Das wichtigste Werkzeug der Imago-Therapie ist eine spezielle Form des Paar-Dialogs, der Paare lehrt den Partner zu ‚halten' , exakt zu spiegeln, und mit Hilfe des Dialoges strukturierte Prozesse durchzugehen, um an jene Verletzungen zu gelangen, die in der Entwicklungszeit hindurch erlitten wurden. Paare, die sich dieser Struktur des Dialoges bedienen, sollen dadurch in die Lage versetzt werden, einander beim Erreichen und Erkennen der Kindheitsverletzung zu helfen und ihre persönlichen Wege zu finden, einander zu helfen, diese Wunden zu reparieren. Das Bild vom Partner wandelt sich von "dem, der mir nicht gibt was ich brauche", zu "dem, der als Kind tief verletzt worden war, und mit ‚meiner' Hilfe sein inneres Selbst wiedergewinnen kann". Der Partner kann dann die korrektive Erfahrung bieten, die zur Heilung nötig ist. So wechselt die Haltung gegenüber dem Partner von Kritik und Vorwurf zu Mitgefühl, Hoffnung und zur Verpflichtung zum Beistand bei der Heilung dieses Kindes/Erwachsenen. Dadurch wird emotionale Sicherheit geschaffen und vertieft. Die besonderen Fertigkeiten, welche die Paare in der Imago-Beziehungstherapie erlernen, zielen darauf ab ein Klima in ihrer Partnerschaft zu schaffen, das das Auffüllen der von der Entwicklung herrührenden Defizite und das Heilen der Kindheitsverletzungen ermöglicht, ohne jedoch eine Ko-Abhängigkeit in der Beziehung zu pflegen. Es ermöglicht vielmehr Ko-Abhängigkeiten aufzulösen.

Ziel der Imago-Therapie ist es, dass Paare lernen, Liebe ohne Bedingungen zu geben und dass jeder dem inneren Kind des Partners der Vater oder die Mutter wird, nach der es sich immer gesehnt hat. Das erfordert als Erstes eine ehrliche Auseinandersetzung mit der eigenen Kindheit. Es stellen sich Fragen:

* Wo bin ich verletzt?
* Welche Bedürfnisse wurden mir nicht erfüllt?
* Welche Teile meines Selbst leugne oder verdränge ich?
* Was habe ich für ein inneres Bild von Beziehung?

Wenn man sich mit diesen Fragen auseinandergesetzt hat, muss man die Fluchtwege aus der Beziehung schließen, also all jene Verhaltensweisen, die Energie abziehen mit dem Zweck, Konflikte zu vermeiden - gleichgültig ob Arbeit, Hobbies, Affären oder Süchte irgendwelcher Art. Mit Hilfe strukturierter Dialoge und anderer Übungen trainieren die Partner in der Imago-Therapie, den "Tanz der Schutzmuster" zu unterbrechen, d.h., nicht mehr sofort in Abwehr zu gehen, wenn der andere von einem etwas will, sondern sich selbst innerlich zu erweitern und über seine gewohnten Verhaltensmuster hinauszugehen und genau das zu machen, was einem dann oft ganz ungewohnt und seltsam vorkommt. Warum? Weil es genau das ist, was den anderen glücklich macht.

(Auszug aus den Arbeitsblättern von Stangl-Taller)

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